Position zu alpiner Windkraft

Positionspapier des steirischen Aufsichtsjägerverbandes
Windkraft im alpinen Bereich der Steiermark

Entsprechend der Klima- und Energiestrategie Steiermark 2030 soll die Leistung der Windenergie auf 1 GW (1000 MW) gesteigert werden. Zur Zeit stehen in der Steiermark rund 100 Windenergieanlagen, das sind 17 % der Menge, die erreicht werden soll. Um 1 GW zu produzieren, benötigt man etwa 600 Windräder. Wenn man von 15 Windrädern pro Windpark ausgeht, würden dadurch etwa 35 weitere Höhenrücken verbaut werden.

In dem offiziellen Papier der steiermärkischen Regierung heißt es auf Seite 24: Österreich liegt bei der erneuerbaren Energie nach Schweden, Lettland und Finnland mit einem Anteil von 33 % an vierter Stelle und damit weit über den EU-Durchschnitt von 16,7 %. Das ist allerdings nicht der Windkraft, sondern ausschließlich der Wasserkraft zu verdanken. Die Windkraft alleine liefert momentan 1 % der gesamten erneuerbaren Energie. Der geplante, landschaftszerstörende Vollausbau der Windkraft bis 2030 würde den Anteil der Windenergie aber auf nicht mehr als auf 6 % steigern.

Die negativen Auswirkungen von Windkraftanlagen stehen in den hochsensiblen alpinen Bereichen außer Frage. Sie zerstören den Lebensraum des Wildes und den von Brut-, Zugvogel- und Fledermausarten. Die im Geltungsbereich der Alpenkonvention liegenden Gebiete der Steiermark mit ihrer internationalen Bedeutung für Natur- und Landschaftsschutz sind in höchstem Maße gefährdet. Durch Windparks auf Bergrücken gehen die Vielfalt, die Eigenart und die Schönheit von Natur und Landschaft verloren.

Zudem ist nicht nur die Tierwelt an den alpinen Standorten der Windkraftanlagen betroffen, sondern auch die den angrenzenden  Bergwald bewohnenden Tierarten. Die für die Windräder in Frage kommenden Freiflächen stellen für diese Tiere einen wichtigen Lebensraum dar (für Nahrungssuche, als Balzplatz für Birkhühner etc.). Österreich hat für die vier heimischen Raufußhuhnarten (Birk-, Auer-, Schnee- und Haselhuhn) eine große Verantwortung. Die Population des Alpenraumes ist von besonderer Bedeutung, da diese vier Hühnerarten hier isoliert von den restlichen Populationen in Europa vorkommen. Diese hochspezialisierten, bodenbrütenden Vögel verlieren mit der zunehmenden Verbauung der Höhenlagen immer größere Flächen an Lebensraum, und die Populationen erlöschen. Lebensraumverlust ist erwiesenermaßen die Hauptursache für die Bestandsreduktion bei Birkhühnern.

Die Zählungen der steirischen Jägerschaft ergaben im Jahr 2014 eine Birkhuhn-Population von 12.900 Individuen (s. dazu DDr. Veronika Grünschachner-Berger et al., Anblick 4/2017). Die Zählung von Auerhähnen in der Steiermark ergab 4.288 Hähne für das Jahr 2014/15 (Hähne und Hennen insgesamt 6.000 Stück) und 3.882 Hähne für das Jahr 2016/17 (Hähne und Hennen insgesamt 5.400 Stück; die Zahlen entstammen den Jahresberichten der steiermärkischen Landesjägerschaft der Jahre 2014/15 und 2016/17).

Laut BirdLife wird die Bestandsgröße von Haselhühnern österreichweit auf 12.000 – 22.000 Paare, von Alpenschneehühnern auf 14.000 – 18.000 Paare geschätzt. Im Vergleich zur Schweiz und zu Slowenien wird ersichtlich, dass die Bestände in Österreich zu den stärksten im Alpenraum zählen. Es kann somit zu Recht als Kernland aller vier Raufußhuhnarten im alpinen Großraum bezeichnet werden (Stellungnahme von BirdLife Österreich zur geplanten Errichtung von Windenergieanlagen am weststeirischen Randgebirge).

Die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten in Deutschland fordert in den „Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten, Stand April 2015“ einen Mindestabstand von WEA für Raufußhühner von 1000 Metern um die Vorkommensgebiete und das Freihalten von Korridoren zwischen benachbarten Vorkommensgebieten. Diese Empfehlungen werden bei der Planung und beim Bau von Windenergieanlagen im österreichischen Alpenraum grob missachtet.

Birkhühner bewohnen in den Alpen nur einen schmalen Streifenlebensraum entlang der Waldgrenze. Wird er unbewohnbar, können die Hühner weder in die tiefer liegenden geschlossenen Wälder noch in die alpinen Regionen über der Baumgrenze ausweichen (s. dazu: DDr. Veronika Grünschachner-Berger, Birkhühner, ein Leben zwischen Windrädern und Schiliften, Jagd in Tirol, 11/2017).

Die steirischen Alpen werden jährlich im Frühjahr und im Herbst von unzähligen Zugvögeln überflogen. Bisher sind die Vogelzüge im Alpenraum zu wenig erforscht. Aus Schweizer Studien ist allerdings bekannt, dass sie die Alpen in relativ geringer Höhe queren. Sättel und Kuppen sind aber auch Ideallagen für Windkraftanlagen und werden bevorzugt verbaut, sodass sie eine besondere Gefahr für Zugvögel darstellen. Das bekannte große Kollisionsrisiko betrifft im alpinen Raum nicht nur die Zugvögel, sondern auch die Brutvögel, darunter langlebige Individuen mit geringer Populationsgröße, wie Raufußhühner, Steinadler, Wanderfalken, Eulenartige und viele andere mehr.

Windräder werden häufig auch zu einer Todesfalle für Fledermäuse. Ein Teil wird von den Rotorblättern erschlagen, ein anderer Teil fällt dem Baro-Trauma zum Opfer: durch Verwirbelungen und Druckabfall hinter den Rotorblättern platzen die Lungen und die inneren Organe der Fledermäuse. Bei der Standortwahl von WEA muss auch in Zukunft der bisher völlig vernachlässigte Fledermauszug berücksichtigt werden. Alles wird noch einmal schlimmer, wenn man bedenkt, dass für die Zukunft der Einsatz noch größerer Rotoren bei gleichbleibender oder nur geringfügig gesteigerter Anlagenleistung geplant ist (IG Windkraft, Neubewertung des Potentials zur Nutzung der Windkraft in Österreich bis zum Jahr 2030).

Durch den Bau von Windenergieanlagen werden Wildlebensräume fragmentiert und zerstört. Vor allem die gegenüber dem „Adlereffekt“ hochsensiblen Gämsen meiden Bereiche von Windparks und weichen in den darunter liegenden Bergwald aus. Der Schattenwurf der drehenden Rotoren hat eine hohe Scheuchwirkung und löst Unruhe und reflexartiges Fluchtverhalten aus.

Zu den wichtigsten Verpflichtungen der Aufsichtsjäger gehört es, den Lebensraum des Wildes zu schützen und zu erhalten. Daher fordert der steirische Aufsichtsjägerverband die zuständigen Behörden und Landespolitiker auf, in alpinen und montanen Wildlebensräumen und im Geltungsbereich der Alpenkonvention keine weiteren Windkraftanlagen zu genehmigen.